Bildkritik von Sophia Dittmann

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"Seit Photoshop und anderen digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten für Fotografen zum normalen Handwerkszeug wurden, haben sich Fotos zusehends von der Darstellung von “Realität” wegentwickelt. In einer Zeit, wo jeder, der sich etwas auskennt, mit Bildern alles Mögliche machen kann, zählt verstärkt die Idee und deren Umsetzung.
Dein Foto einer Dampflokomotive, verfremdet durch einen antiken Effekt, fand ich spontan sehr ansprechend, wenn ich mich persönlich auch nicht für Lokomotiven interessiere.
Ein typisches Postkartenmotiv. Ich selbst arbeite auch gerne mit diesem und ähnlichen Effekten, die mittlerweile durch kostenlose Photoshop Plug-Ins, nicht so kostenlose Nik-Filter, und andere digitale Zaubertricks so einfach geworden sind, daß ich es meinen Nicht-Fotografenfreunden nie verraten würde.
Und dieses Motiv eignet sich tatsächlich bestens für die Bearbeitung. Ich könnte es mir gut an der Wand eines Eisenbahnmuseums, Heimatmuseums, oder eben als Postkarte vorstellen. Ein Blick auf Deine Webseite verriet mir, daß Du (wie Du ja auch in Deiner Einreichung erwähntest) diese Art Motiv sehr gerne fotografierst.
Kompositionell ist an Deinem Foto nichts auszusetzen, und die Art, wie die Schienen in die linke untere Bildecke verlaufen, verrät ein gutes Auge.

Ich möchte Dein Foto allerdings nicht mit den Worten „Wow, gutes Bild.“ abtun, wie man das so häufig anderswo sieht. Vor ein paar Monaten hatte ich einmal meinen persönlichen Fragenkatalog veröffentlicht, mit dem ich generell an Fotos herangehe.
1. Zwingt mich das Foto, es länger als nur ein paar Sekunden zu betrachten? – Das muß ich hier verneinen. Es ist ein hübsches Motiv, aber eines, an dem ich vorbeigehen würde. Diese Betrachtungsweise könnte sich allerdings verändern, wenn ich ein Eisenbahnenthusiast wäre – in diesem Fall wäre dann jedoch die Retrobearbeitung möglicherweise hinderlich, weil ich mich wahrscheinlich auf Details der Lok konzentrieren würde, die durch den Effekt in den Hintergrund gedrängt werden.
Auf Deiner Webseite war eines zu sehen, das auf der linken Seite einen Mann zeigt, der von der Kamera abgewandt auf eine Eisenbahn sieht. Es war auch eines zu sehen, das eine Maschine in einer Halle zeigte. Für mich als Betrachter ist das wesentlich interessanter.
2. Warum? – Die Lok selbst zwingt mich nicht zum Nachdenken, sie löst weiter nichts in mir aus.
3. Was genau fühle ich, wenn ich das Foto anschaue – gibt es irgendeine emotionale Reaktion, oder ist die einzige, die ich habe, „hübsch“? – „Hübsch“ war genau die emotionale Reaktion, die ich hatte. Und die, daß der Retroeffekt mir so ganz arg bekannt vorkam.
4. Gibt es etwas an diesem Bild, was mich über das Foto hinaus beschäftigt? – Nein.
5. Gibt das Foto etwas hinsichtlich der Intentionen des Fotografen preis? – Die Bearbeitung zeigt mir, daß Du einen beachtlichen Grad an technischem/fotografischem Wissen besitzt, aber auch, daß Du Dich intensiv mit Lokomotiven beschäftigst. Und, daß Du ihre Majestät und Faszination festhalten wolltest.
Als Fazit möchte ich anregen, vielleicht über die Gesamtansicht einer Lokomotive hinauszugehen, und etwa Einzelheiten abzubilden. Oder Menschen in Relation zu ihr etc. Etwas, was aus einem Postkartenmotiv ein Foto macht, an dem das Auge „klebenbleibt“. Das tut der Qualität Deines Bildes hier mitnichten Abbruch, wäre aber etwas anderes, etwas, das man so sonst nicht sieht."
DIe Bildkritik im Orginal gibt es hier.

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